Ringier, Swisscom und SRG vermarkten zusammen
Am 17. August landeten Ringier, SRG und Swisscom einen Coup: Dass ein öffentlich-rechtlicher TV-Sender, ein führendes privates Medienhaus und das halbstaatliche Telekomunternehmen ihre Werbevermarktung zusammenlegen, das gab es noch nirgends. Spannend ist ferner, dass die Drei nicht bloss eine Lösung für sich anpeilen, sondern auch für Dritte offen sein wollen.
Mit dem geplanten Joint Venture wollen SRG, Swisscom und Ringier ab Frühjahr 2016 ihre Werbevermarktung bündeln. Konkret wird die SRG ihre Tochter Publisuisse vollständig einbringen (130 Mitarbeitende), Ringier steuert sein Zeitschriften- und Zeitungsgeschäft – inklusive jenes aus dem Joint Venture mit Axel Springer Schweiz – sowie Radio, TV (TF1) und Digital (140 Mitarbeitende) bei, und die Swisscom neben Swisscom-TV die Displaywerbung von local.ch und search.ch (ca. 20 Mitarbeitende). Das Telco bringt zudem seine Kompetenz im Technologiebereich ein. CEO der neuen Firma wird Publisuisse-CEO Martin Schneider. Und im Verwaltungsrat sitzen die drei Chefs Marc Walder (VR-Präsident), Roger De Weck und Urs Schaeppi.
Alternative zu Google & Co
Den Zusammenschluss begründe die Drei primär mit der Konkurrenz von den US-Riesen Google, Facebook und Youtube, die letztes Jahr in der Schweizer Onlinewerbung einen Marktanteil von rund 50% erreicht hätten. Mit einem «One-Stop-Shop» für reichweitenstarke Schweizer Werbung wolle man ihnen die Stirn bieten, sagte Ringier-CEO Marc Walder. Zudem wolle man «innovative, neue Werbeformen entwickeln, den Schweizer Werbemarkt stärken und so die Wertschöpfung in der Schweiz halten.»
Bei der Vermarktung setzt die noch namenlose Firma auf Allmedia-Vermarktung und Innovation. Durch das Zusammenlegen der Vermarktungsteams gewinne man die nötige Kompetenz, sagte Schneider. Eine Plattform für das Programmatic Buying – auch für Printanzeigen – soll erstellt, Dynamic Ad Insertions für TV-Spots sowie interaktive TV-Werbung etwa mittels Okay-Button sollen möglich werden, sagte er weiter.
Teil von Diversifizierungsstrategien
Doch die Alternative zu Google & Co. ist nicht die einzige Motivation. Diversifizieren ist ebenso wichtig, jedenfalls für SRG und Swisscom. So sieht das Telco, dessen Kernmarkt unter Druck ist, im Werbemarkt ein neues Umsatzpotenzial, wie Marc Werner, Leiter Privatkunden Swisscom, erläuterte. Und Schneider hatte gegenüber Cominmag schon anfangs Jahr in einem Inerview angetönt (siehe Ausgabe 1/15), dass Publisuisse eine neue Diversifizierstrategie verfolge, um die sinkenden Umsätze bei der TV-Werbung abzufedern und der SRG zusätzliche Einnahmen zu generieren.
Diversifizieren in der neuen Firma ist möglich, weil jeder Partner auch eine Unmenge an Abo-, Kunden- und Nutzerdaten einbringt, die neu gebündelt werden können. So können – um nur ein Beispiel zu nennen – die Nutzerdaten der SRG künftig auch für Ringiers oder Swisscoms Onlinewerbung genutzt werden, an der dann wiederum die SRG finanziell partizipieren wird, obwohl sie selbst keine Onlinewerbung schalten darf.
Kein ménage à trois
Doch das neue Konstrukt, dem Bakom, UVEK und Wettbewerbskommission erst noch zustimmen müssen, bietet weiteres Diversifizierpotenzial, denn es ist offen für andere Medienanbieter, für alle Werbeauftraggeber und Agenturen. Eine Erweiterung des Aktionariates sei allerdings nicht vorgesehen, Inventaranbieter könnten als Kunden ihr Werbeangebot ins Portfolio einbringen – gegen eine Kommission.
Das setzt dann allerdings eine medien- und anbieterneutrale Vermarktung voraus. Durch das Bilden von Teams sei dies möglich, ähnlich wie bei der Goldbach Group, die ja sowohl die TV-Sender von RTL als auch jene des Konkurrenten SevenOne Media vermarkte, sagte Schneider dazu.
Ringier distanziert sich von Verlegerkollegen
Speziell ist, dass mit Ringier ein gewichtiges Mitglied des Verbandes Schweizer Medien (VSM) der SRG die Hand reicht – obwohl der VSM noch im Juni ein Werbeverbot für die SRG forderte. Dies entspreche bloss der Meinung einiger VSM-Exponenten und sei nicht die Position des ganzen Verbandes, wiegelte Walder ab. Er selbst habe sich in dieser Diskussion bewusst zurückgehalten. Zudem habe er seine Präsidiumskollegen über das Projekt informiert und sei damit auch auf Interesse gestossen.
Nicht so bei Tamedia. Sprecher Christoph Zimmer stellte jedenfalls klar, dass für sein Haus die Auslagerung des Werbeverkaufs kein Thema sei, man setze auf konsequente Eigenvermarktung und erreiche «beispielsweise durch unsere starke regionale Verankerung weiterhin mehr Werbekunden in der Schweiz als das neue Vermarktungs-Joint-Venture». Gleichzeitig lässt er Kritik durchblicken: «Dass zwei öffentlich-kontrollierte Unternehmen die Konsolidierung des Werbemarktes vorantreiben, ist sicher bemerkenswert. (…) Umso wichtiger sind und bleiben klare Spielregeln und gleich lange Spiesse für alle.»
ASA sieht neue Chancen
«Verhalten optimistisch» äusserte sich Roland Ehrler, Direktor des Schweizer Werbe-Auftraggeberverbands. «Der Zusammenschluss der drei Schweizer Vermarktungsorganisationen ist in der Tat eine Chance für innovative Angebote im TV-, Digital- und Printbereich.» Den Zeitplan für die Umsetzung hielt er jedoch für etwas zu ambitioniert.
Positiv reagierte dagegen der Verband Schweizer Werbung, wo Marc Werner und Martin Schneider im Vorstand sitzen: Man schaue dem Projekt «mit Neugier entgegen», sagte Sprecher Thomas Meier. Die SW setze sich für möglichst gute Bedingungen für die Werbung ein. Deshalb stimme es positiv, dass sich Player der Werbebranche trotz unterschiedlicher Haltung zusammentun. «Davon profitiert letztlich die Branche.»
Bei der Publicitas, die einst eine ähnliche Allmedia-Vermarktung auf die Beine stellen wollte, hält man den Zusammenschluss wegen der technologischen Herausforderung und der globalen Konkurrenz «im Grundsatz für nachvollziehbar». Kulturell stelle die Integration der drei Vermarktungsorganisationen aber «eine grosse Herausforderung dar», hiess es mahnend.
Das Schweizer Syndikat Medienschaffender SSM begrüsste den Schulterschluss. Es entstehe die Chance, den Abfluss des Schweizer Werbefrankens ins Ausland zu stoppen, was letztlich dem Schweizer Journalismus zugute komme. Zu hoffen sei ferner, dass weitere Verleger die Kooperation mit der SRG als Modell sähen.